Auf ein Wort

Well-ness

Viele Menschen pilgern heute in unserer modernen aufgeklärten westlichen Welt nicht mehr in Wallfahrtsorte und Kirchen, um etwas für ihre Well-ness zu tun…

Das Zauberwort „Wellness“, eine Wortschöpfung aus Well-being (sich wohl fühlen) und Fitness (gut in Form sein), spricht unsere Sehnsucht und unser Bedürfnis nach Ausgeglichenheit und Harmonie in einer immer komplexer und chaotischer werdenden Welt an. Wo kommen wir in unserem hektischen Alltag noch zur Ruhe? Selbst unsere Freizeit ist oft gefüllt mit Aktivitäten, Terminen oder zumindest Berieselung oder Ablenkung in der virtuellen Welt. Viele spüren eine innere Leere, Stress, Überforderung und sehnen sich nach Entspannung.

Menschen suchen daher oft nach Ruhe und Harmonie und das nicht nur mit dem Verstand, sondern auch in ihrer Seele und damit verbunden in ihrem ganzen Körper. Ganzheitlich leben scheint das Motto dieser Zeit. Sich bewusst ernähren, den Körper pflegen, gesund leben, Fitness gehören dazu. Nichts ist uns näher als er eigene Körper. Unser Körper ist Ort und Instrument von Erfahrungen. Erfahrung hat immer eine körperliche Komponente, sie betrifft den Menschen in seiner Ganzheit. Wir erfahren die Welt, indem wir sie erfühlen, ertasten, erspüren. Erfahrung ist sinnlich – in ihr erschließt sich Sinn durch die Sinne, körperlich.

Neben dem körperlichen suchen viele auch nach dem seelischen Wohlbefinden, nach einem Sinn und Ziel ihres Lebens, einer Hoffnung, einer inneren Heimat. Dieses Heimweh gibt es nur, wenn man spürt, dass es eine Heimat gibt. Nach den großen Schulen der Mystik und Spiritualität der Kulturen können wir diese Heimat, dieses Gefühl von Harmonie und Einheit finden durch Übungen der Stille, des Atmens, der Achtsamkeit gegenüber allem Leben und der Einbeziehung des ganzen Körpers. Die Mystiker und religiösen Schulen der Kulturen sagen uns: Heiliges und Alltägliches sind keine Gegensätze.

Wir können Gottes Kraft nicht nur in sakralen Räumen erfahren und schon gar nicht nur über den Verstand, sondern mit unserem Körper und unserem ganzen Empfinden. Viele Menschen scheinen heute daher oft anderswo zu suchen nach Well-ness im weitesten Sinne. Und sie scheinen ein Gespür dafür zu haben, dass seine göttliche Kraft überall zu finden ist. Wir können seinen Lebensatem spüren in der Natur, in jedem Menschen, tief in unserer Seele. Das kann uns besonders da gelingen, wo wir uns sinnlich, ganzheitlich, in unserem Körper erfahren und uns innerlich öffnen, um in die Tiefe unserer Seele hinein zu spüren.

Thomas Schenk, Gemeindereferent

Der Geist des Lebens

 In diesen Tagen und Wochen erwacht die Natur zu neuem Leben. Sie lässt uns erahnen, was wir Ostern gefeiert haben: das Leben ist stärker als der Tod. Und wir suchen nach so langer Zeit der Kälte und Dunkelheit die Erfahrungen von Sonne, Licht, Wärme, wir genießen das frische Grün und die Pracht der Blüten, den Duft des Frühlings und das Singen der Vögel…

In Wahrheit jedoch dient uns Menschen die Natur eher als Mittel zum Zweck. Die Folgen von Massentierhaltung, Atomenergie, Fungizideinsatz oder Plastikmüll werden immer bedrohlicher, so dass eine Zukunft mit dauerhaftem Leben auf der Erde immer fraglicher erscheint. Dies scheint zum einen die Folge eines rigorosen präferierten Wirtschaftsdenkens, hat aber auch mit einem Weltbild zu tun, das durch unsere christliche Religion mit geprägt wurde. In der alten Vorstellung von Gott und Welt war Gott der Lenker und Leiter des Weltgeschicks. Er strafte die Menschen oder belohnte sie. Die Natur war nur Mittel zum Zweck. Die Erde war Mittelpunkt des Kosmos. Der Mensch war die Krone der Schöpfung und sollte alles beherrschen. Unser Körper sollte diszipliniert werden, um das Heil zu erlangen.

Papst Franziskus kritisierte vor einigen Tagen die christliche Natur- und Leibfeindlichkeit, die aus einer solchen Welt- und Glaubenssicht spricht. Die Menschen wenden sich seit Jahrzehnten scharenweise ab von einer solchen Welt- und Glaubenssicht und damit oft auch von den Kirchen, weil sie diese immer noch damit zum Teil auch zu Recht identifizieren.

Pierre Teilhard de Chardin, Jesuit, Philosoph, Anthropologe und Paläontologe, beschrieb Gott als einen Gott, der uns Men-schen und die Natur in Freiheit sich entwickeln entlässt. Das ist kein Bild von einem Gott, der Naturkatastrophen oder Krankheiten schickt, um Menschen zu bestrafen.

Gott hat sich uns Menschen in Jesus am Kreuz gezeigt als der wehrlose, liebende Gott, der die Menschen in Freiheit handeln lässt. Er brachte einen Geist in diese Welt, den wir auch als Geist Gottes bezeichnen. Er will, dass wir den Menschen und der Natur in Liebe und Achtung begegnen; dass wir die Natur als Gottes Schöpfung begreifen, in der wir ihm begegnen und dass wir dankbar sind für alles, was er uns schenkt. Eine solche Sicht würde uns verbinden mit anderen Kulturen und Religionen. Mit einer solchen Haltung können wir uns auch mit allem Leben verbunden fühlen und nur eine solche Haltung wird auf Dauer das Leben auf dieser Welt erhalten

 

Thomas Schenk, Gemeindereferent

Ruhebank in der Sonne unter einem Feigenbaum

Aus der Ruhe kommt die Kraft

Ich bin immer wieder beeindruckt von der absoluten Stille von jeweils fünf Minuten bei den regelmäßigen Gebetszeiten, wenn ich gemeinsam mit tausenden von Jugendlichen in der Klosterkirche von Taizé/Burgund bin. Die Stille, das Schweigen von so vielen jungen Menschen drückt eine tiefe spirituelle Kraft aus, die die Jugendlichen erfüllt oder die sie suchen.

Die Jugendlichen machen die Erfahrung, dass Stille ihnen gut tut. Sie füllen sie mit ihren Gedanken, Sehnsüchten und Gebeten und kommen so wirklich zu sich selbst und oft auch zu Gott. Ich mache diese Erfahrungen auch, wenn ich in der Firmvorbereitung ähnliche Gebetszeiten mit langen Stillephasen anbiete oder wenn ich mit Jugendlichen meditiere wie zuletzt im Schülergottesdienst am Aschermittwoch mit ca. 100 Jugendlichen. Es gibt kein Gerede, kein Gekicher, jede/r ist bei sich und die Stille scheint gut zu tun.

Das Bedürfnis nach Ruhe scheint groß zu sein in einer Zeit, in der wir rund um die Uhr meinen, online sein zu müssen. Der bekannte Benediktinerpater Anselm Grün sagt: „Solange wir innerlich aufgewühlt sind, können wir die Energie nicht wahrnehmen, die in uns strömt. Es braucht die Ruhe, um die Kraft zu entdecken, die in uns liegt“. Es braucht die Ruhe, um die inneren Kräfte zu entdecken und um sich immer wieder innerlich neu auszurichten.

Was sind meine nächsten Ziele? Was möchte ich korrigieren? Worüber muss ich nachdenken, mir Hilfe holen…? Wir brauchen immer wieder den Rückzug, um Rücksicht auf uns selbst zu nehmen. So spüren wir, was wir brauchen, was jetzt dran ist, können wieder unsere innere Kraft spüren. In Phasen der Ruhe können wir bei uns sein, spüren, was wir können, was uns geschenkt ist, was nicht selbstverständlich ist statt unsere Energien außerhalb von uns zu verschwenden.

Oft gelingt es nicht, wirklich in die Ruhe zu finden. Wenn ich es aber versuche, spüre ich die Sehnsucht nach Ruhe in mir und darin ist schon Ruhe. In der Sehnsucht nach Liebe ist schon Liebe. Und in der Sehnsucht nach Gott ist schon Gott. Und in der Sehnsucht nach Glück ist schon Glück. Als Spur, die in meiner Sehnsucht spürbar ist, ist dann zumindest eine Ahnung von Glück schon vorhanden.

Thomas Schenk, Gemeindereferent